Haftung für (Hyper)Links – Ist jetzt das Internet kaputt?

Haftung für (Hyper)Links – Ist jetzt das Internet kaputt?

André Stämmler

Bereits im Sommer 2016 ging wegen eines Urteils des europäischen Gerichtshofs ein Raunen durchs Internet. Der EuGH hatte entschieden, dass das bloße Verlinken auf einer Website, die eine Urheberrechtsverletzung enthält, ebenfalls eine Urheberrechtsverletzung sein kann.  Diese Rechtsprechung wurde nun durch eine erste Entscheidung auch in Deutschland bestätigt.

Das Urteil des EuGH

Nach der Entscheidung des EuGH kann unter Umständen für eine Urheberrechtsverletzung  haftbar gemacht werden, wer lediglich einen Link auf eine andere Seite setzt und auf dieser Seite eine Urheberrechtsverletzung vorliegt (Urteil vom 08.09.2016 – Az. C-160/15 – GS Media).  Das sollte zumindest dann der Fall sein, wenn der Linksetzer wusste, dass er auf einer Seite mit Urheberrechtsverletzungen verlinkt.  Nach Auffassung des EuGH könne dies bei Nutzern die die Linksetzung zur Gewinnerzielungsabsicht vornehmen aber vermutet werden.  Das Urteil ließ viele Fragen offen. Insbesondere wann eine sogenannte Gewinnerzielungsabsicht vorliegt.

Das Hamburger Verfahren

Nunmehr hat sich auch das Landgericht Hamburg mit dieser Problematik befasst und dazu die offenbar erste Entscheidung in Deutschland gefällt:

Der Fall

 Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde. Ein Fotograf entdeckte im Internet eines seiner Bilder, welches offenbar ohne Erlaubnis (bzw. unter Verstoß gegen die Lizenzbedingungen) auf einer Webseite genutzt wurde.  Das Bild wurde ohne Einwilligung genutzt.  Die Nutzung stellte eine Urheberrechtsverletzung dar. Darüber hinaus entdeckte der Fotograf auf einer anderen Webseite einen Link zu dieser Seite.

Die Entscheidung

Nach Auffassung des LG Hamburg kann bereits das Setzen eines Links auf eine Seite, auf der eine Urheberrechtsverletzung vorliegt, wiederum eine Urheberrechtsverletzung sein.

Voraussetzung für die Haftung ist dabei, dass der Linksetzer wusste, dass auf der verlinkten Webseite eine Urheberrechtsverletzung vorliegt. Dieses Kriterium ist aber nach Auffassung der Hamburger Richter bereits erfüllt, wenn die eigene Webseite mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird. Es kommt also nicht darauf an, ob die Linksetzung mit Gewinnerzielungsabsicht stattfindet oder die einzelne Unterseite mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird. Maßgebliches Kriterium ist die gesamte eigene Webseite! Das bedeutet im Klartext. Wenn ich eine Webseite für mein Unternehmen betreibe oder irgendwie mit der Webseite Gewinn erzielen will (zum Beispiel ein Blog mit Werbung) handele ich mit Gewinnerzielungsabsicht.

Die Hamburger Richter meinen dazu:

Vorliegend ist die Linksetzung durch den Antragsgegner als mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt zu bewerten. Zwar definiert der EuGH a.a.O. Tz. 51 nicht, welche Handlungen genau von einer Gewinnerzielungsabsicht getragen sein müssen, so dass sich die Frage stellen kann, ob gerade die Linksetzung als solche, der Betrieb der konkreten Unterseite mit dem Link oder der Betrieb des Internetauftritts insgesamt der Erzielung eines Gewinns dienen soll. Die Kammer versteht die EuGH­Rechtsprechung jedoch nicht in einem engen Sinne dahin, dass die einzelne Linksetzung unmittelbar darauf abzielen müsste, (höhere) Gewinne zu erzielen (etwa durch Klick-Honorierungen). Denn der EuGH benutzt das Kriterium der Gewinnerzielungsabzielungsabsicht lediglich zur Abgrenzung, ob dem Linksetzer Nachforschungen über die Rechtesituation bzgl. der verlinkten Seite zumutbar sind. Diese Zumutbarkeit hängt aber nicht allein davon ab, ob mit der Linksetzung unmittelbar Gewinne erzielt werden sollen, sondern nur davon, ob die Linksetzung im Rahmen eines Internetauftritts erfolgt, der insgesamt zumindest auch einer Gewinnerzielungsabsicht dient. Letzteres kann vorliegend bejaht werden, denn der Antragsgegner bietet im Rahmen seines Internetauftritts <http://XXX/> im Eigenverlag vertriebenes Lehrmaterial entgeltlich an.

Auf die tatsächliche Kenntnis kommt es nicht an. Wer einen Link setzt muss nachforschen!

Dass der Antragsgegner vorliegend nicht wusste, dass die verlinkte Zugänglichmachung rechtswidrig erfolgte, beruht auf seinem Verschulden; ihm ist diesbezüglich bedingter Vorsatz vorzuwerfen. Die ihm zumutbaren Nachforschungen zur Frage der Rechtmäßigkeit der Zugänglichmachung hat der Antragsgegner in vorwerfbarer Weise unterlassen. Der Antragsgegner hat selbst in seinem Schreiben vom 07.10.2016 (Anlage ASt 9) erklärt: ,,Allerdings wäre ich nicht im Entferntesten auf die Idee gekommen, beim dortigen Seitenbetreiber nachzufragen, ob er die entsprechenden Rechte zur Veröffentlichung hat, oder sonstige Nachforschungen zu den urheberrechtlichen Hintergründen des Bildes anzustellen. Das sah ich nicht als meine Aufgabe als Linksetzender an.” Der Antragsgegner führt weiter aus, dass er vom zitierten EuGH-Urteil Kenntnis gehabt habe, aber auch dieses nicht zum Anlass für Nachforschungen genommen habe, weil er es für grundgesetzwidrig und für mit der EU­Grundrechtecharta unvereinbar halte. Diese Ausführung belegt zur Überzeugung der Kammer, dass der Antragsgegner die Rechtswidrigkeit der verlinkten Zugänglichmachung der Umgestaltung zumindest billigend in Kauf genommen hat.

ABER: Was hat das Gericht nicht entschieden?

Bei allem Aufruhr, den das Urteil derzeit hervorruft, darf man eines nicht aus den Augen verlieren. Was ist, wenn man vortragen kann, dass man Nachforschungen angestellt hat? Dies ist nämlich im aktuellen Fall gerade nicht passiert. Dort hatte der Antragsgegner ausdrücklich vorgetragen:

 ,,Allerdings wäre ich nicht im Entferntesten auf die Idee gekommen, beim dortigen Seitenbetreiber nachzufragen, ob er die entsprechenden Rechte zur Veröffentlichung hat, oder sonstige Nachforschungen zu den urheberrechtlichen Hintergründen des Bildes anzustellen. Das sah ich nicht als meine Aufgabe als Linksetzender an.”

Hier muss man abwarten, was es zu dieser Thematik noch an Rechtsprechung geben wird, bevor man eine einheitliche Linie sehen kann. 

Praxisleitfaden

Aktuell ist das Urteil im Raum und man muss schauen, wie man damit umgeht. Hier also ein kurzer Praxisleitfaden.

Wen betrifft die Entscheidung?

Die Entscheidung betrifft jeden, der Links im Internet setzt. Das kann jeder sein, der eine Webseite oder einen sonstigen Internetauftritt betreibt. In erster Linie wird es um Webseiten gehen, egal ob es sich dabei um Blogs oder Unternehmenswebseiten handelt. Ebenso können aber auch soziale Medien wie Facebook oder Xing betroffen sein.

Wann kommt eine Haftung in Betracht?

Eine Haftung kommt immer dann in Betracht, wenn:

1. Ein Link auf eine Seite gesetzt wird, die eine Urheberrechtsverletzung enthält

2. Der Linksetzer Kenntnis von der Rechtsverletzung hatte

  • Die Kenntnis wird vermutet, wenn die Linksetzung mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt ist.
  • Für die Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht kommt es auf den gesamten Internetauftritt an, nicht lediglich auf den Link
  • Gewinnerzielungsabsicht dürfte bei jedem Auftritt vorliegen, über den in irgendeiner Art Gewinne erzielt werden sollen. Das können Blogs mit Werbebannern oder auch gewöhnliche Unternehmenswebseiten sein.
  • Die Vermutung kann widerlegt werden.

    Welche Anforderungen an die Widerlegung zu stellen sind, ist bislang offen. Gleiches gilt für die Frage, was passiert, wenn sich der Inhalt der Seite nach den erfolgten Nachforschungen ändert.

Welche Folgen hat diese Entscheidung in der Praxis?

Sofern sich die Auffassung des Landgericht Hamburgs durchsetzt, müssen in Zukunft erheblich höhere Anforderungen beim Setzen eines Hyperlinks beachtet werden.

Darüber hinaus ist aufgrund der möglichen Angst vor einer Haftung mit sogenannten „Chilling Effects“ zu rechnen.

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