Hate Speech – Welche Möglichkeiten habe ich als Betroffener? .

Hate Speech – Welche Möglichkeiten habe ich als Betroffener? .

André Stämmler

Die Meinungsfreiheit ist eines der wichtigsten Grundrechte in unserem Rechtssystem. Sie schützt die Freiheit jedes Einzelnen seine Meinung frei zu bilden und zu äußern. Geschützt sind grundsätzlich auch Satire und „harte“, verletzende Äußerungen. Die Grenzen der Meinungsfreiheit werden jedoch überschritten, wenn durch die Äußerung keine sachliche oder wertende Auseinandersetzung mehr stattfindet und Ziel der Äußerung lediglich die Beleidigung oder Herabwürdigung des Adressaten ist. Man spricht hier von so genannter Schmähkritik oder auch Hate Speech.

Hate Speech ist keine neue Erscheinung, erreicht aber in Zeiten des Internets und Social Media ein neues Ausmaß. Von Hate Speech kann fast jeder betroffen sein, ob Privatperson, Politiker oder sogar Unternehmen. Betroffene stehen Hate Speech-Angriffen aber nicht schutzlos gegenüber. Im nachfolgenden Beitrag beschreiben wir, welche Ansprüche Betroffene v haben und welche Schritte unternommen werden können.

Welche Ansprüche haben Betroffene

Wer von Hate Speech betroffen ist, hat unterschiedliche Ansprüche gegen den Äußernden. Neben einem Anspruch auf Unterlassung, kann auch ein Schadensersatzanspruch bestehen. Aufwendungen, die durch die Rechtsverfolgung entstehen, müssen in der Regel durch den Äußernden ersetzt werden. 

Unterlassungsanspruch

Der wahrscheinlich wichtigste Anspruch für Betroffene ist der Unterlassungsanspruch gegen die äußernde Person. Durch den Unterlassungsanspruch hat der Betroffene einen Anspruch gegen den Äußernden, dass dieser die entsprechende Äußerung zukünftig unterlässt. Der Unterlassungsanspruch kann durch eine Unterlassungserklärung des Äußernden oder durch eine gerichtliche Untersagung zwangsweise befriedigt werden. Wird die Äußerung im Internet getätigt, gilt dies als „fortgesetzte Äußerung“. Eine Äußerung im Internet zum Beispiel in einem sozialen Netzwerk, muss also dauerhaft entfernt werden.

Schadensersatz

Neben einem Unterlassungsanspruch besteht ggf. ein Anspruch auf Schadensersatz. Beim Schadensersatz unterscheidet man zwischen tatsächlich entstandenem Schaden und einem immateriellen Schaden. Ein tatsächlich entstandener Schaden ist zu ersetzen. Dabei soll der Betroffene so gestellt werden, wie er ohne die Äußerungen gestanden hätte. Einen messbaren Schaden bibt es bei Hate Speech eher selten. Denkbar ist ein solcher Anspruch bei Rufschädigung eines Unternehmens.

Neben dem Ersatz des materiellen Schadens, kommt ggf. ein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz in Betracht. Der Schadensersatz ist dabei ähnlich wie ein Anspruch auf Schmerzensgeld bei einer Körperverletzung zu sehen. Wie hoch der Schadensersatz im Einzelfall ausfällt, hängt  von unterschiedlichen Faktoren ab. Neben der Reichweite der Äußerung und der Intensität kann auch die Bekanntheit der Person eine Rolle spielen. Hier ist eine Einzelfallbetrachtung notwendig.

Ersatz der Rechtsverfolgungskosten

Unabhängig vom Schadensersatz, als Äquivalent zum Schmerzensgeld, haben Betroffene einen Anspruch auf Ersatz der Rechtsverfolgungskosten. Das sind die Kosten des eigenen Anwalts bzw. Gerichtskosten. Ist ein hoher Recherche-Aufwand notwendig, ist auch dieser Aufwand zu ersetzen. Das ist zum Beispiel denkbar, wenn Kosten für die Dokumentation oder Ermittlung angefallen sind. 

Durchsetzung der Ansprüche

Die einzelnen Ansprüche können außergerichtlich und gerichtlich verfolgt werden. Ein gerichtliches Verfahren bietet sich an, wenn die außergerichtliche Durchsetzung scheitert. Neben einer zivilrechtlichen Durchsetzung der Ansprüche, kann parallel ein Strafverfahren eingeleitet werden, wenn die Hate Speech einen Straftatbestand erfüllt. 

Unterlassungserklärung

Der Unterlassungsanspruch kann durch Abgabe einer sogenannten strafbewehrten Unterlassungserklärung oder durch eine gerichtliche Entscheidung durchgesetzt werden. Im Falle einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verpflichtet sich der Äußernde freiwillig die streitige Äußerung zukünftig zu unterlassen. Um die Ernsthaftigkeit seiner Verpflichtung auszudrücken, verpflichtet sich der Äußernde gleichzeitig für den Fall eines Verstoßes gegen die Erklärung, zur Zahlung einer Vertragsstrafe. Die Unterlassungserklärung kann nicht gerichtlich erzwungen werden. Sie ist ein Vertrag zwischen dem Äußernden und demBetroffenen.

Einstweiliges Verfügungsverfahren

Wenn sich der Äußernde weigert eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, kann der Unterlassungsanspruch gerichtlich durchgesetzt werden. Liegt eine besondere Dringlichkeit vor, bietet sich das einstweilige Verfügungsverfahren an. Das einstweilige Verfügungsverfahren ist ein gerichtliches Verfahren zur schnellen Beschaffung eines gerichtlichen Beschlusses, hier einer Unterlassungsverfügung. Das Gericht untersagt in einem solchen Fall die entsprechende Äußerung. Für den Fall, dass der Äußernde sich nicht an die Untersagung hält, wird in der Regel gleichzeitig ein Zwangsgeld oder Ordnungshaft angedroht.

Die Besonderheit in einem einstweiligen Verfügungsverfahren, sind die geringeren Anforderungen an die Beweislast. Der Betroffene muss die maßgeblichen Tatsachen lediglich glaubhaft machen. Ausreichend hierfür ist oftmals eine eidesstattliche Versicherung. Die gerichtliche Entscheidung ergeht dann oft binnen weniger Tage ab Antragstellung und ohne Anhörung des Äußernden.

Ein einstweiliges Verfügungsverfahrenerfordert die Dringlichkeit der Unterlassung für den Betroffenen. Im Einzelfall liegt keine Dringlichkeit mehr vor, wenn der Betroffene zu lange mit der Beantragung der einstweiligen Verfügung wartet. Die Dringlichkeitsfrist für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird von Gericht zu Gericht unterschiedlich beurteilt. Als Faustregel sollte eine Frist von einem Monat bzw. vier Wochen ab Kenntnis der Hate Speech Äußerung angenommen werden. Wartet man länger als einen Monat nach Kenntnis der Äußerung, besteht eine erhöhte Gefahr, dass das Gericht den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung auf Grund mangelnder Dringlichkeit zurückweist.

Der Schadensersatzanspruch kann nicht durch ein einstweiliges Verfügungsverfahren durchgesetzt werden.

Hauptsacheverfahren (Klage)

Neben dem einstweiligen Verfügungsverfahren besteht die Möglichkeit auf Unterlassung zu klagen. Man spricht hier vom sogenannten Hauptsacheverfahren. Dieses Verfahren kann je nach Konstellation isoliert oder neben einem einstweiligen Verfügungsverfahren oder im Nachgang zu einem einstweiligen Verfügungsverfahren betrieben werden. Dabei handelt es sich um ein „normales“ Klageverfahren.  Verfahren dauert in der Regel länger und es gelten die strengeren Beweisregeln. Eine einstweilige Verfügung reicht hier in der Regel nicht mehr aus, um die maßgeblichen Tatsachen glaubhaft zu machen.

Abmahnung vor gerichtlichen Verfahren

Vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens, sollte der Äußernde zunächst außergerichtlich abgemahnt werden. Die Abmahnung dient als Möglichkeit einer schnellen außergerichtlichen Erledigung. Dem Abgemahnten wird dabei die Möglichkeit zur Abgabe einer Unterlassungserklärung eingeräumt und ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden. Mahnt man den Äußernden nicht vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens ab, sondern leitet unverzüglich ein gerichtliches Verfahren ein, hat der Äußernde die Möglichkeit des sofortigen Anerkenntnisses. In diesem Fall müssen die Kosten des gerichtlichen Verfahrens unter Umständen vom Betroffenen getragen werden, wenn nicht aus anderen Gründen die sofortige Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens ohne vorherige Abmahnung geboten war. Das gilt für einstweilige Verfügungsverfahren und Hauptsacheverfahren. Der Verzicht auf eine Abmahnung, vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens, sollte also genau überlegt sein.

Strafanzeige

Neben dem zivilrechtlichen Verfahren besteht die Möglichkeit einer Strafanzeige gegen den Verfasser der Hate-Speech. Eine Strafanzeige bietet sich an, wenn die Äußerung einen Straftatbestand (zum Beispiel Beleidigung, üble Nachrede) erfüllt. Ob ein Straftatbestand erfüllt ist, ist sollte genau geprüft werden. Eine vorschnelle Strafanzeige kann unangenehme Folgen haben. Stellt sich heraus, dass an der Anzeige tatsächlich nichts dran ist, droht ggf. ein Verfahren wegen falscher Verdächtigung. 

Unbekannter Verfasser der Hate Speech

Besondere Probleme entstehen, wenn der Verfasser der Hate Speech unbekannt ist. Oft haben Opfer von Hate Speech zwar einen Verdacht, wer der Verfasser der Verfasser der Hate Speech ist. Gerade in sozialen Netzwerken besteht aber die Möglichkeit sich unter einem sogenannten Fake-Account anzumelden. Hate Speaker melden sich dabei unter falschem Namen im sozialen Netzwerk an und verbreiten so ihre Äußerungen. Opfer von Hate Speech haben dabei, ggf. aufgrund von Vorerfahrungen mit dem Hate Speaker einen konkreten Verdacht, wer der Äußernde ist, können dies aber aufgrund des Decknamens nicht belegen. In einem solchen Fall bleibt nur die Möglichkeit über das soziale Netzwerk an die Daten des Hate Speaker zu kommen. Dies kann zu einem besonderen Problem für Opfer von Hate-Speech werden. Nach deutschem Recht existiert derzeit keine zivilrechtliche Grundlage, nach der ein sogenannter Plattform Betreiber (zum Beispiel soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter) zur Herausgabe der maßgeblichen personenbezogenen Daten verpflichtetwerden kann. Doch auch in diesem Fall sind Opfer von Hate Speech nicht schutzlos. Die Hate Speech erfüllt oftmals einen Straftatbestand. Opfer haben in diesem Fall die Möglichkeit eine Strafanzeige zu stellen. Im Rahmen des Strafverfahrens können Betroffene dann Akteneinsicht verlangen und haben so die Möglichkeit an die Daten des Hate-Speakers zu gelangen. Auch wenn das Strafverfahren ggf. eingestellt wird, haben die Betroffenen die Daten und können die oben beschriebenen Zivilrechtlichen Schritte (Abmahnung, einstweilige Verfügung, Klageverfahren) einleiten.

Vorgehen gegen die Plattform

Neben einem Vorgehen gegen den Verfasser der Hate-Speech, haben Betroffene auch die Möglichkeit gegen die Plattform vorzugehen, auf der die Äußerung veröffentlicht wurde. Als Plattform kommt dabei nahezu Alles in Betracht, wo Äußerungen veröffentlicht werden können. Das sind unter anderem soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter, aber auch Webseiten mit Kommentarfunktion oder Foren. 

Die meisten Plattformen sehen eigene Verfahren vor, mit denen rechtswidrige Inhalte wie etwa Hate Speech gemeldet werden können. Meldet der Betroffene einen Beitrag, überprüfen Mitarbeiter der Plattform dann selbstständig die Äußerung und entfernen diese ggf. dauerhaft aus dem Netzwerk. Im sozialen Netzwerk Facebook sieht das etwa wie folgt aus:

Hier ein Beispiel eines von mir selbst geteilten Beitrags. Das Verfahren ist bei geteilten Beiträgen dasselbe wie bei normalen Posts.

 

In der oberen rechten Ecke sieht man einen Pfeil der nach unter zeigt. Bei einem Klick auf den Pfeil öffnet sich ein Dialogfeld.

Das Dialogfeld bietet mehrere Möglichkeiten im Bezug auf den Beitrag. Wer einen Beitrag entfernen lassen will, muss auf “Beitrag melden” klicken.

Im nächsten Schritt muss man den Grund angeben, warum man den Beitrag meldet.

Es öffnet sich ein weiteres Dialogfeld. Dort wählt man den Punkt “Es ist beleidigend für mich oder eine Person, die ich kenne”. Bei einem Klick auf “Weiter”, öffnet sich das letzte Dialogfeld. 

Durch auswahl des Punktes  “An Facebook zur Überprüfung senden” wird das Verfahren abgeschlossen. Mitarbeiter von Facebook werden den Beitrag eigenständig prüfen und ggf. löschen.

Die Möglichkeiten einen eigenen Kommentar abzugeben sind leider bei den meisten sozialen Netzwerken begrenzt. Bei echter Hate Speech sollte das aber kein Problem sein. Lediglich in der Grauzone zwischen zulässiger Meinungsäußerung und Schmähkritik kann es vorkommen, dass das Netzwerk den Beitrag nicht löscht. 

Sollte die Plattform den Beitrag nicht entfernen, kann auch gegen die Plattform gerichtlich vorgegangen werden. Die Plattform haftet in diesem Fall als sogenannter “Störer” für den rechtswidrigen Beitrag und kann zur Unterlassung verpflichtet werden.

Praxis

Wer von Hate Speech betroffen ist, sollte zunächst die Beweise sichern. Fand die Veröffentlichung im Internet statt sollten entsprechende Screenshots angefertigt werden. Auf den Screenshots sollte man folgende Punkte erkennen

  • den eigentlichenBeitrag
  • ggf. das Profil unter dem der Beitrag veröffentlicht wurde
  • die URL der Veröffentlichung 

Kennt man den Äußernden oder kann man ihn zumindest identifizieren, sollte man seine Ansprüche direkt gegen den Äußernden geltend machen. Dabei sollte man zunächst eine außergerichtliche Abmahnung versenden. Manchmal hilft auch ein einfacher Hinweis an den Äußernden. Führt die Abmahnung nicht zum Ziel, kann ein gerichtliches Verfahren eingeleitet werden. Spätestens hier sollte in der Regel ein erfahrener Anwalt für Medienrecht eingeschaltet werden, da dieser die prozessualen und auch materiell rechtlichen Fallstricke einzuschätzen weiß.

Kennt man den Äußernden nicht, bzw. kann man die Identität nicht beweisen, bleibt nur die Möglichkeit der Strafanzeige, um auf diesem Weg ggf. an die Daten des Äußernden zu kommen.

Parallel zum Vorgehen gegen den Äußernden bzw. der Strafanzeige, sollte auch die Plattform auf der die Äußerung getätigt wurde informiert werden; entweder durch ein auf der Plattform vorgesehenes Meldeverfahren oder durch direkten Kontakt.