André Stämmler
Das Leistungsschutzrecht war und ist umstritten. Nunmehr liegt die – meines Wissens erste – Entscheidung zum Leistungsschutzrecht vor. Dort bejaht das Landgericht Berlin mit Urteil vom 06.01.2015 (Az.: 15 O 412/14) einen Anspruch nach den neuen Regelungen des Leistungsschutzrechts für Presseerzeugnisse. Das ist Urteil ist so kurios wie es falsch ist.
Ein seltsamer Sachverhalt
In dem Verfahren hatte die Betreiberin einer Website – die sowohl Grafiken als auch redaktionelle Texte zum Abruf bereithält – eine einstweilige Verfügung gegen eine Fotoagentur beantragt. Die Fotoagentur hatte im Vorfeld einen Screenshot der Webseite der Antragstellerin auf ihrer eigenen Webseite unter einer passwortgeschützten URL online gestellt. In diesem Screenshot war unter anderem ein kurzer Textausschnitt zu sehen. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin unter Berufung auf das Leistungsschutzrecht. Dies ist insoweit nicht ungewöhnlich. Seltsam wird es jedoch, wenn man bedenkt, dass die Fotoagentur den Screenshot lediglich aus Beweiszwecken online stellte. Diese hatte nämlich im Vorfeld die Webseitenbetreiberin wegen eines Urheberrechtsverstoßes in Anspruch genommen. Zu dem streitgegenständlichen Artikel gehörte ein Foto an dem die Fotoagentur die eigentlichen Rechte innehatte. Anscheinend um auf eine teure Abmahnung zu verzichten, schrieb die Fotoagentur die Webseitenbetreiberin direkt an und bat um die nachträgliche Entrichtung der entsprechenden Lizenzgebühr. Um den Urheberrechtsverstoß gegen den über der Webseitenbetreiberin nachweisen zu können fertigte die Agentur einen Screenshot der Webseite an und stellte diesen der späteren Antragstellerin über eine passwortgeschützte URL zur Verfügung. Anstatt jedoch die Lizenzgebühr zu entrichten, nahm die Webseitenbetreiberin die Agentur wegen eines Verstoßes gegen das Leistungsschutzrecht in Anspruch. Das ist kurios. Das Landgericht Berlin gab der Antragstellerin aber auch noch Recht. Und das ist falsch.
Zweifel am “Presseerzeugnis”
Das Gericht bejahte für einen Screenshot einer Website die Voraussetzungen eines Presseerzeugnisses im Sinne von § 87 f Abs. 2 UrhG. Das Urteil lässt jedoch nicht erkennen, ob die einzelnen Voraussetzungen tatsächlich näher geprüft wurden. Ein Presseerzeugnis ist nach der Legaldefinition die:redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge im Rahmen einer unter einem Titel auf beliebigen Trägern periodisch veröffentlichten Sammlung, die bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlagstypisch anzusehen ist und die nicht überwiegend der Eigenwerbung dient.Die Ausführungen des Gerichts zum Vorliegen eines Presseerzeugnisses sind knapp. So spricht nach Auffassung des Gerichts etwas der Ausdruck der Webseite für ein Presseerzeugnis. Inwieweit sich das Gericht sonst mit dem Problem auseinander gesetzt hat, ist nicht ersichtlich. Damit bestehen erhebliche, ob überhaupt schon ein Presseerzeugnis vorlag.
Anwendung nur auf Suchmaschinen und ähnliche Anbieter
Liegt tatsächlich ein Presserezugnis vor, ist weitere Voraussetzung für die Verletzung des Leistungsschutzrechts, dass die Zugänglichmachung durch einen gewerblichen Anbieter von Suchmaschinen oder gewerblichen Anbieter von Diensten erfolgt, der Inhalte wie eine Suchmaschine aufbereitet (§ 87 g Abs. 4 UrhG). Suchmaschinen sind dabei Computerprogramme mit denen sowohl das gesamte Internet durchsucht werden kann– horizontale Suchmaschinen (Beispiel Google und Bing), als auch Computerprogramme mit den nur bestimmte Themenbereiche durchsucht werden können – vertikale Suchmaschinen. Ausführungen hierzu macht das Landgericht keine. Aus dem Urteil lässt sich entnehmen, dass der Screenshot nur über die Direkteingabe zu erreichen ist und eben nicht über Suchmaschinen zu finden war. Dies legt jedenfalls nahe, dass die Fotoagentur nicht wie eine Suchmaschine arbeitet und damit eben nicht unter die in § 87g Abs. 4 UrhG genannten Beispiele fällt.
Privilegierung des Urhebers dessen Werk enthalten ist
Denkbar wäre auch eine Privilegierung nach § 87g Abs. 3 UrhG, die den Umweg über die Suchmaschinen überflüssig macht. Nach dieser Privilegierung kann das Recht des Presseverlegersnicht zum Nachteil des Urhebers oder eines Leistungsschutzberechtigten geltend gemacht werden, dessen Werk oder nach diesem Gesetz geschützter Schutzgegenstand im Presseerzeugnis enthalten ist.Das Foto dürftige Bestandteil des Presseerzeugnisses sein, sodass auch diese Privilegierung greifen sollte und damit bereits der Weg über die Suchmaschinen nicht notwendig ist.
Und weiter?
Die wohl erste Entscheidung zum Leistungsschutzrecht ist meines Erachtens – unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Informationen – vollkommen falsch. Man darf hoffen, dass die Entscheidung wenigstens im Hauptsacheverfahren “ gerade gebogen wird“. Böse Zungen könnten jetzt spötteln, dass beim Leistungsschutzrecht nichts anderes zu erwarten war. Aber naja. Lassen wir das.