Als Verteidiger in Bußgeldangelegenheiten hat man es oft nicht leicht. Insbesondere wenn es mal nicht um das dreimonatige Fahrverbot geht, sondern nur um den einen Punkt, verstehen viele Richter die Aufregung nicht.
Immer wieder Akteneinsicht…
Ein zweites Problem als „OWi-Verteidiger“ ist die Akteneinsicht. In den seltensten Fällen bekommt man auf Anhieb eine Akte mit dem notwendigen Inhalt. Jedenfalls die Bedienungsanleitung des Messgeräts ist – nach meiner Erfahrung – immer ein Reibepunkt zwischen Behörde und Verteidiger. Der Kollege Burhoff berichtet hier gefühlt täglich über Entscheidungen, die sich mit dem leidigen Thema befassen mussten und stellt eine gute Zusammenfassung zur Verfügung was alles in die Akte gehört. Ein – meines Erachtens – bemerkenswertes Beispiel einer unvollständigen Akte hatte ich in einem kürzlich geführten Verfahren.
Ein Hauch von nichts
Das Mandat hatte ich erst übernommen, als bereits ein Termin zur Hauptverhandlung angesetzt war. Standardmäßig wurde natürlich Akteneinsicht beantragt. Als dann die Akte in die Kanzlei flatterte folgten erst ein ungläubiger und dann ein etwas entsetzter Blick. Die Akte enthielt nicht mehr als den Anhörungsbogen, Bußgeldbescheid, die schlechtesten Messfotos die ich je sehen durfte und einen Aktenvermerk der Polizei; kein Messprotokoll, kein Eichschein, keine hochauflösenden Fotos, nichts. Aus der Akte war damit nicht einmal zu entnehmen, welches Messgerät verwendet wurde. Dass die Bedienungsanleitung nie beigefügt ist und es hier immer zu Problemen kommt ist fast normal. Dass aber weder ein Messprotokoll noch ein Eichschein beigefügt ist, hatte mich dann doch ein wenig überrascht. In zahlreichen Bußgeldverfahren hatte ich tatsächlich noch nie eine derart leere Akte gesehen. Nach meinem Antrag doch bitte auch Messprotokoll, Eichschein, hochauflösende Fotos usw. zu übersenden, stellte ich mich zunächst auf eine “Krawallverteidigung” ein. Denn das Gericht antwortete darauf hin nur:
Sie hatten Akteneinsicht! Mehr geht nicht.Dem Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung sehe ich entgegen.
Das lies für die bevorstehende Hauptverhandlung nichts gutes erahnen. Schnell stellte sich aber heraus, dass ich mich im Bezug auf eine bevorstehende harte Hauptverhandlung irrte. Denn auch das Gericht fand die Fotos nicht ansatzweise geeignet den Fahrer zu identifizieren. Darin waren sich Betroffener, Richter, Verteidiger und sogar die Mitarbeiterin der Bußgeldstelle (Telefonat im Vorfeld) einig. Einzig eine eifrige Polizistin vermochte auf dem Foto den Betroffenen zu erkennen – wie auch immer das möglich war – sorgte dafür, dass das Verfahren überhaupt weiter betrieben wurde.
Sei es drum. Es gab einen Freispruch für den Betroffenen.