Der Werkbegriff im Urheberrecht

André Stämmler

Nicht jeder kreative Gedanke, nicht jede Idee oder Plan oder Schöpfung, sind sie auch noch so ausgefallen, genießen urheberrechtlichen Schutz. Urheberrechtlichen Schutz können nur sogenannte Werke genießen. Was ein Werk im Sinne des UrhG ist, wird im UrhG (Urheberrechtsgesetz) definiert. Danach ist ein Werk jede persönliche geistige Schöpfung. Das könnte man jetzt im Raum stehen lassen. So einfach ist es aber leider nicht, da diese sehr knappe Definition praktisch kaum weiterhilft. Ein tieferer Blick auf die einzelnen Voraussetzungen ist notwendig. 

Das Werk – die Voraussetzungen

Um von einer persönlichen geistigen Schöpfung und damit überhaupt von einem Werk im Sinne des UrhG gesprochen werden kann müssen die folgenden Kriterien erfüllt sein:

Persönliche Schöpfung

Es muss sich um eine persönliche Schöpfung handeln. Voraussetzung einer persönlichen Schöpfung ist, dass ein Mensch sie geschaffen hat. Damit scheiden vollautomatisch erstellte Produkte (z.B. durch einen zufälligen Algorithmus erstellte Melodie) aus. Gleiches gilt für Zufallsprodukte oder Produkte die durch Tiere erschaffen wurden (z.B. eine Katze läuft durch Farbe und anschließend über eine Leinwand). Unproblematisch ist es jedoch, wenn ein Mensch sich der Hilfe einer Maschine bedient (z.B. ein Grafikprogramm am Computer oder elektronisch erzeugte Musik).

Wahrnehmbare Formgebung

Das Werk muss in einer wahrnehmbaren Form wiedergegeben werden. Keinen urheberrechtlichen Schutz genießen somit bloße Ideen. Ein urheberrechtlicher Schutz  entsteht erst, wenn das Werk eine gewisse Formgestaltung erfahren hat. Die Idee muss also äußere Form erlangt haben. Dies kann z.B. das Aufschreiben eines Textes oder der skizzierte Plan eines Bauwerkes sein.  Ausreichend ist auch das Singen einer Melodie oder das Aussprechen eines Gedichtes.

Geistiger Gehalt

In dem Werk muss ein gewisser geistiger Inhalt zum Ausdruck kommen, gleichgültig ob er gedanklicher oder emotionaler Art ist. Der Inhalt kann z.B. schriftlicher (Gedicht), anschaulicher (Bild) oder auch akustischer Art (Melodie) sein. Keine geistigen Schöpfungen sind menschliche Tätigkeiten, die weder das intellektuelle noch das ästhetische Empfinden ansprechen. Das trifft zum einen auf die meisten Gebrauchsgegenstände zu und zum anderen auf Handlungen die nur ihrer selbst willen erfolgen, z.B. Sportveranstaltungen oder  Demonstrationen. Eine Ausnahme hiervor kann aber wiederum vorliegen, wenn gerade durch die Choreografie einer sportliche Aufführung eine bestimmte Geschichte vermittelt werden soll oder die Art der Demonstration bereits einen eigenen geistigen Inhalt vermitteln will.

Kleine Münze

Letztlich stellt sich die Frage nach der Qualität der geistigen Ausdrucksformen, der sogenannten Gestaltungshöhe. Die Rechtsprechung stellt hier in der Regel sehr niedrigere Anforderungen an die notwendige Qualität einer geistigen Schöpfung. Dies passt zu einer immer fortschreitenden Tendenz, hin zur kleinen Münze. Hatte z.B. der Bundesgerichtshof noch in der Silberdistel-Entscheidung (BGH ZUM 1995, 791 – Silberdistel) einen urheberrechtlichen Schutz für Geschmacksmuster bzw. Werke der angewandten Kunst allgemein abgelehnt, können nunmehr auch solche urheberrechtlichen Schutz genießen (BGH, 13.11.2013 – I ZR 143/12 – Geburtstagszug)

Aufgrund der niedrigen Anforderungen an die Gestaltungshöhe sollte man heute im Zweifel davon ausgehen, dass im Zweifel “jede” geistige Schöpfung – solange Sie nur einen geistigen Inhalt zum Ausdruck bringt – urheberrechtlichen Schutz genießt. In der Praxis ist damit eher Zurückhaltung geboten.

Keine Bindung an die Werkform

Keine Rolle spielt es hingegen, ob die Schöpfung in einer der klassischen Werkformen vorliegt. Zwar zählt § 2 Abs. 1 UrhG eine Reihe von bestimmten auf, abschließend ist diese Aufzählung in keinster Weise. So können etwa neben dem aufgezählten Sprachwerken, Lichtbildwerken oder Filmwerken auch nicht explizit aufgeführte neuere Ausdrucksformen urheberrechtlichen Schutz genießen. Dies kann etwa das Happening  (BGH GRUR 1985, 529 ff. – Happening)oder der Flashmob sein.

Eingriff in Rechte Dritter und keine denkbar legale Nutzung

Unabhängig vom urheberrechtlichen Schutz ist auch die Frage, ob das Werk in Rechtspositionen Dritter eingreift. So kann etwa auch das Graffiti an einer Hauswand urheberrechtlichen Schutz genießen, auch wenn hier dem Eigentümer in der Regel ohne weiteres ein Beseitigungsanspruch zustehen wird.

Umstritten ist, ob urheberrechtlicher Schutz auch an Werken bestehen soll, wenn eine legale Verwendung unter allen erdenklichen Gesichtspunkten ausscheiden muss, z.B. bei Snuff-Videos.  Ein Teil will hier bereits den urheberrechtlichen Schutz versagen, ein anderer Teil lässt es jedenfalls am Rechtschutzinteresse scheitern.

Keine Anmeldung erforderlich

Damit ein Werk nach dem Urheberrechtsgesetz genießt muss dieses nicht – im Gegensatz zum Patent – explizit angemeldet oder registriert werden. Das Werk empfängt urheberrechtlichen Schutz mit seiner Entstehung/Formwerdung. Auch Teilwerke können bereits urheberrechtlichen Schutz genießen, sofern die vorgenannten Kriterien erfüllt sind. So kann bereits die Strophe eines Gedichtes urheberrechtlich geschützt sein und nicht erst das vollständige Gedicht.

Die einzelnen Arten der Werke

Obwohl der urheberrechtliche Schutz nicht von einer bestimmten Werkform abhängt, zählt das Urheberrechtsgesetz einige Werkarten beispielhaft auf. 

Sprachwerk § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG

Ein Sprachwerk liegt vor, wenn Gedanken durch Sprache ausgedrückt werden. Die Art der Sprache spielt dabei keine Rolle. Deutsch, Englisch, Französisch, egal. Es kommt nicht darauf an, ob der Gedankenausdruck in der jeweiligen Landessprache erfolgt.  Als Sprachwerke sind Werke in einer Programmierssprache (html, Java …) oder in Zahlen vorliegen. Auch die bloße Formgebung, die Ansammlung, Auswahl und Zusammenstellung bestimmter Informationen kann ein Sprachwerk im Sinne des UrhG sein.

Musikwerk

Musikwerke zeichnen sich in erster Linie durch einen hörbaren Gedankenausdruck aus. Über den Ausdruck durch Töne, kann das Werk auch durch Noten wiedergegeben werden. Wie die Töne erzeugt werden ist gleichgültig. Neben Gesang, klassischen Instrumenten kann somit ein Musikwerk auch durch das Schlagen eines Löffels auf den Topf erzeugt werde

Choreographie und Tanz

Choreographische Werke sind objektiv wahrnehmbare Kompositionen der Bewegung. Geschützt sind sowohl Tänze als auch Gebärdenspiele. Notwendig ist ein gewisser künstlerischer Ausdruck. Die Wiedergabe von vorgegebenen Tanzschritten ist damit nicht ausreichend. Eine Manifestation (zum Beispiel Aufzeichnung als Video) ist nicht erforderlich

Werk der bildenden Kunst einschließlich Baukunst und angewandte Kunst

Bei Werken der bildenden Künste wird ein ästhetischer Inhalt durch Farben oder Formen auf einer Fläche oder im Raum zum Ausdruck gebracht. Als Werke kommen zum Beispiel Gemälde, Zeichnungen oder auch Skulpturen in Betracht.

Neben den Werken der bildenden Künste werden auch Werke der sogenannten angewandten Kunst geschützt. Das können zum Beispiel Schöpfungen eines Juweliers, ein Möbelstück oder auch Spielwaren sein

Urheberrechtlich geschützt sind zudem Werke der Baukunst. Diese dienen in erster Linie einem Gebrauchszweck. Man kann sie zum Beispiel Betreten oder Bewohnen. Explizit nicht erforderlich ist die Verfolgung eines künstlerischen Zwecks. Vom Schutzzweck umfasst sind ebenfalls die Entwürfe. Die unberechtigte Ausführung eines solchen Entwurfs verletzt das Urheberrecht des Architekten.

Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer

Eine Darstellung wissenschaftlicher und technischer Art erfolgt ebenfalls durch eine Darstellung in Fläche oder Raum ähnlich wie bei Kunstwerken. Im Unterschied hierzu ist jedoch ein ästhetischer Inhalt gerade nicht erforderlich. Zum Ausdruck kommt hier eine wissenschaftliche oder technische Information. Geschützt wird dabei jedoch nicht die Information an sich, sondern die kreative Darstellung (zum Beispiel Auswahl, Einteilung und Anordnung der Information).

Lichtbildwerke

Lichtbildwerk im Sinne des Urheberrechtsgesetzes sind in erster Linie Fotografien. Maßgeblich für den Schutz als Lichtbildwerk ist der Einsatz von bestimmten Ausdrucksmitteln durch welche eine individuelle Prägung des Bildes erzeugt wird.

Schöpfung die diesen Anforderungen nicht genügen sind aber regelmäßig als sogenannte Lichtbilder durch das Urheberrecht geschützt. Hier spricht man zwar nicht mehr von einem Werk im Sinne des UrhG, sondern lediglich von einer Leistung. Der urheberrechtliche Schutz von Lichtbildern ist – mit Ausnahme der Schutzfrist – denen von Lichtbildwerken gleichgestellt.

Nicht einheitlich geklärt ist der Schutz einer identischen Ablichtung eines zweidimensionalen Werkes (Zum Beispiel Fotokopie eines Fotos). Für reine Fotokopien wird bislang ein urheberrechtlicher Schutz abgelehnt. Nicht ganz eindeutig dürfte dies jedoch beim Abfotografieren von zum Beispiel Kunstwerken sein. Hier wird man einerseits in die Waagschale werfen dürfen, dass beim Abfotografieren mehr als nur das Drücken des Kopierknopfes notwendig ist, sondern die richtige Wahl bei der Positionierung der Kamera und des Lichts getroffen werden muss. Geht es allerdings um eine reine „Ablichtung“ wird dem Fotografen kein individueller Gestaltungspielraum verbleiben. Urheberrechtlicher Schutz liegt damit nicht vor.

Filmwerk

Ausdrucksmittel beim Filmwerk ist das bewegte Bild. Maßgeblich ist hier die Gestaltung der Bild und gegebenenfalls Tonfolge. Vom Begriff des Filmwerks sind ebenfalls Zeichentrick- und Anime-Filme umfasst.

Sofern bewegte Bilder die Schutzhöhe des Filmwerks nicht erreichen, kommt ein Schutz als sogenanntes Laufbild in Betracht. Für Laufbilder ist – ähnlich wie bei Lichtbildwerken und Lichtbildern – eine weitgehende Anpassung an den Schutz der Filmwerke erfolgt.

Das Sammel- und Datenbankwerk

Bei Sammel- und Datenbankwerken ist die Individualität der Zusammenstellung der einzelnen Elemente geschützt. Geschützt wird die Datenbank oder das Sammelwerk in seiner Gesamtheit, ohne dass die Einzelelemente urheberrechtlichen Schutz genießen (Adressverzeichnis, Atlas). Liegt eine Sammlung vor der die Einzelwerke bereits für sich urheberrechtlichen Schutz genießen (Gedichtband), tritt der Schutz als Datenbank-oder Sammelwerk hinter den urheberrechtlichen Schutz der Einzelwerke zurück. Geschützt ist damit nicht mehr der Gedichtband an sich sondern die darin enthaltenen Gedichte jeweils für sich selbst.

Die schöpferische Individualität liegt allein in der Auswahl und Zusammenstellung der Einzelelemente

Datenbankwerke im Sinne des Urheberrechtsgesetzes sind Sammelwerke, deren Elemente systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind. Mit der Schaffung des Datenbankwerkes ein Programm eingesetzt ist dieses nicht Bestandteil der Datenbank

Die Bearbeitung

Ist die Bearbeitung oder Übersetzung eines urheberrechtlichen geschützten Werkes ebenfalls eine persönliche geistige Schöpfung, genießt diese wiederum für sich selbst urheberrechtlichen Schutz.

Bei der Bearbeitung bleibt das Originalwerk in der bearbeiteten Fassung erkennbar – Unterschied zur freien Benutzung. Erforderlich ist damit eine Umgestaltung, die zwar noch das Originalwerk erkennen lässt, aber dennoch eine eigene schöpferische Ausdruckskraft aufweist

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