Haftung eines Minderjährigen bei schwerem Verkehrsverstoß

Ein 11 jähriges Kind haftet bei einem schweren Verkehrsunfall alleine, wenn das Kind die erforderliche Fähigkeit zur Einsicht in sein Verhalten hatte und das Kind für den Unfallgegner nicht sichtbar war.

Was war passiert?

Ein 11 jähriges Mädchen wollte bei Dunkelheit die Straße überqueren, um zu einer anderen Kindergruppe auf der anderen Straßenseite zu gelangen. Hierfür musste das Mädchen zwischen parkenden Autos auf die Straße. Hierbei konnte das Mädchen ein herannahendes Auto sehen, ging jedoch davon aus, dass sie es schaffen würde. Die mit 25-30 km/h herannahende Autofahrerin konnte das Mädchen nicht sehen. Es kam zum Unfall, bei dem das Mädchen verletzt wurde. Das 11 jährige Mädchen klagte gegen die Autofahrerin.

Das Urteil

Das OLG Naumburg lehnte eine Haftung der Autofahrerin ab und sprach das alleinige Verschulden der Klägerin zu.  Nach Auffassung des Gerichts lag im Verhalten der Autofahrerin kein Verstoß gegen § 3 II a StVO, da der Schutzzweck der Norm hier nicht berührt war. Auf § 3 II a StVO könne sich nur berufen, zu wessen Schutz die Norm in einer konkreten Situation gerade erhöhte Rücksichtnahme verlange. Hierfür erforderlich ist, dass das Kind wenigstens in das Blickfeld des anderern Verkehrsteilnehmers gerät oder nach den Umständen mit dessen Anwesenheit zu rechnen ist. Aufgrund der Kinder am linken Fahrbahnrand musste die Autofahrerin aber gerade nicht mit einem weiteren Kind rechnen.

Die allgemeine Betriebsgefahr ließ das OLG Naumburg völlig hinter das Verhalten der Klägerin zurücktreten. Ebenso verneinte das Gericht eine Befreiung nach den § 828 III BGB.

Die Klägerin hatte sich zur Überquerung der Fahrbahn entschlossen, obwohl gleichaltrige Kinder sie verbal davon abhalten wollten. Nach Auffassung des Gerichts hatte die Klägerin grundsätzlich die Fähigkeit zur Einsicht für die Verantwortlichkeit ihres Verhaltens. Für die Klägerin musste klar sein, dass das schnelle Überqueren einer Straße bei Dunkelheit, zwischen parkenden Autos hindurch ein grob verkehrswidriges Verhalten darstellt. Demgegenüber wusste die Klägerin, dass Sie besonders vorsichtig sein muss, wenn Sie die Straße zwischen parkenden Autos überqueren will, setzte sich jedoch über diese Kenntnisse hinweg. Dieses Verhalten ist ihr nach Auffassung des Gerichts anzulasten.

Beschluss des OLG Naumburg vom 09.01.2013 (AZ: 10 U 22/12); BeckRS 2013, 03062

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