In Filesharing-Angelegenheiten ist eine klare Tendenz hin zu einer „abmahnkritischen Rechtsprechung“ zu erkennen – München mal ausgenommen. In diese kritische Rechtsprechung reiht sich nun auch das Amtsgericht Bielefeld mit einem Urteil vom 06.03.2014 (42 C 368/13) ein und erteilt Abmahnern – sagen wir einfach – eine fette Watschen.
Was war passiert?
Geklagt hatte einer der führenden deutschen Tonträgerhersteller wegen der unerlaubten Verwendung des Doppelalbums „MTV unplugged in New York“. Der Kläger verlangte Schadens- und Aufwendungsersatz vom Anschlussinhaber. Dieser bestritt, jemals an einer Tauschbörse teilgenommen zu haben. Außerdem trug der Beklagte vor, dass er mit seiner Ehefrau, seinen zwei Töchtern und dem Sohn der Ehefrau in einem Haushalt wohnt. Alle Familienmitglieder hatten Zugang zum Internetanschluss und Anhaltspunkte für Filesharing bestanden nicht. Dies reichte dem Amtsgericht Bielefeld um die Klage mit Urteil vom 06.3.14 (AZ: 42 C 368/13) abzuschmettern.
Die Entscheidung des Amtsgericht (42 C 368/13)
Nach Auffassung des BGH (“Sommer unseres Lebens”) besteht eine Vermutung dafür, dass der Inhaber des Internetanschlusses über den die Urheberrechtsverletzung begangen wurde, auch der Täter ist. Diese Vermutung kann der Anschlussinhaber im Rahmen seiner sogenannten sekundären Darlegungslast wiederlegen, indem die ernsthafte Möglichkeit dargestellt wird, wonach ein Dritter Täter sein kann. Einzelne Gerichte stellen herzu immernoch sehr unterschiedliche Anforderungen. Während man in München fast den Beweis für Täterschaft eines Dritten führen muss. Lassen andere Gerichte es ausreichen, wenn die ernsthafte Möglichkeit eines Dritten als Täter in Frage kommt. Dem schließt sich nur auch das AG Bielefeld an und geht fast noch einen Schritt weiter. Das Gericht stellt nämlich bereits die Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers in Frage. Jedenfalls wenn mehrere Personen im Haushalt wohnen und den Anschluss nutzen. Hierzu führt es aus:
Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil v. 12.05.2010, I ZR 121/08, Sommer unseres Lebens) soll eine tatsächliche Vermutung dafür bestehen, dass dann, wenn ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht wird, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Daraus ergibt sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine andere Person habe die Rechtsverletzung begangen (BGH NJW 2010, 2061). Die Annahme einer derartigen tatsächlichen Vermutung begegnet in Haushalten, in denen mehrere Personen selbständig und unabhängig Zugang zum Internet haben, bereits grundsätzlichen Bedenken.
Das ist ist konsquent. Die Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers rührt daraus, dass dieser den Anschluss vermeintlich für gewöhnlich nutzt. Das mag bei Personen die alleine leben, tatsächlich noch nachvollziehbar sein. Nicht nachvollziehbar ist dies aber bei Haushalten in denen mehrere Personen leben; sei es eine Familie oder eine Wohngemeinschaft. Dort nutzen alle Bewohner den Anschluss regelmäßig eigenständig, auf eigenen Geräten und ohne Einfluss des Anschlussinhabers. Im Übrigen werden auch die Ansprüche als verjährt zurückgewiesen. Das Amtsgericht stellt hierbei zum Beginn der Verjährungsfrist auf den Tatzeitpunkt ab. Auch sieht das Amtsgericht hier keine 10 jährige Verjährungsfrist für die Geltendmachung der Lizenzgebühr. Eine entsprechende BGH Entscheidung hält das Gericht für nicht anwendbar, da in Filesharing-Angelegenheiten eine gänzlich andere Konstellation vorliegt, als dies in dem vom BGH entschiedenen Fall war.
Urteil des Amtsgericht Bielefeld vom 06.03.2014 (Aktenzeichen: 42 C 368/19)