André Stämmler
Die Geschichte eines – bereits 2011 geschossenen – Selfie des Weißkopf-Makaken Naruto summt aktuell wieder durch die Medienlandschaft. Streitpunkt ist die Frage, wer das Urheberrecht an einem durch einen Affen geschossenem Foto hat, bzw. ob überhaupt ein Urheberrecht bestehen kann. Dabei beansprucht einerseits der Fotograf bzw. Inhaber der Kamera, das Urheberrecht für sich. Andererseits macht die Tierschutzorganisation PETA das Urheberrecht im „Namen des Affen“ geltend.
2011 führte der britische Fotograf David Slater eine Shooting im Dschungel der indonesischen Insel Sulawesi durch. Während des Shootings schnappte ein Schopfmakaken-Weibchen Slaters Kamera und „schoss“ damit ein Selfie. Slalter war nun der Auffassung, dass ihm die Urheberrechte an dem Bild zustünden. Wikimedia sah das anders. Nach Auffassung von Wikimedia besteht gar kein Urheberrecht an dem Bild. Wikimedia veröffentlichte das Bild ohne urheberrechtliche Beschränkungen. Eine Unterlassungsklage von Slater gegen Wikimedia scheiterte vor einem kalifornischem Gericht. Damit aber nciht genug. Aktuell versucht die Tierschutzorganisation im Namen des Affen Naruto eine Lizenzentschädigung gegen David Slater durchzusetzen. Nach Auffassung von PETA, müssten auch Affen Urheberrechte geltend machen können.
Das kuriose Beispiel soll als Anlass dienen, um die die Voraussetzungen wann überhaupt urheberrechtlicher Schutz vorliegen kann, näher zu beleuchten. Zentraler Begriff ist hierbei das Werk.
Zentraler Schutzgegenstand des Urheberrechts: Das Werk
Das Urheberrecht schützt das sogenannte Werk. In § 1 UrhG heißt es, die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst genießen für ihre Werke Schutz nach Maßgabe des UrhG. Eine exemplarische Aufzählung was darunter zu verstehen ist, liefert § 2 UrhG. Zu den geschützten Werken des Urheberrechts zählen zum Beispiel Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme, Werke der Musik, pantomimische Werke, Lichtbildwerke, Filmwerke oder Darstellungen wissenschaftlicher und technischer Art. Die Aufzählung ist dabei nicht abschließend, sodass auch im Katalog des § 2 Urheberrechtsgesetz nicht aufgezählte schöpferische Leistungen Werke im Sinne des Urheberrechtsgesetzes sein können. Maßgeblich ist, ob es sich um eine persönliche geistige Schöpfung behandelt (§ 2 Abs. 2 UrhG).
Persönlich
Das Persönlichkeitsmerkmal setzt voraus, dass der gestaltende und formprägende Einfluss eines Menschen vorliegt. Rein maschinell geschaffene Schöpfungen sind dabei gerade nicht persönlich im Sinne des Urheberrechtsgesetzes. Gleiches gilt für Schöpfungen durch Tiere, sofern kein menschlicher Einfluss dahinter steckt. Unschädlich ist es, wenn sich ein Mensch einer Maschine als Hilfsmittel zur Herstellung des Werkes bedient hat. Die Erzeugung einer Melodie mithilfe eines Computers kann als eine persönliche geistige Schöpfung eingestuft werden. Gleiches gilt für die Erzeugung einer Grafik mit Hilfe einer Software. Auch das Aufspannen einer Leinwand auf den Boden und das bewusste Frequentieren lassen durch Tiere zur Erzeugung von Fußabdrücken als Kunstprojekt kann dabei eine persönliche Schöpfung sein. Maßgeblich ist,dass die Tiere lediglich als „Werkzeug“ eingesetzt werden. Anders wäre die Situation zu beurteilen, wenn ein Tier zufällig über ein am Boden liegendes Tuch läuft. Durch die fortschreitende Technik ergeben sich immer neue Möglichkeiten zur Schaffung von zum Beispiel Grafiken oder Melodien. Nicht abschließend geklärt ist daher zum Beispiel die Erzeugung einer Computergrafik (zum Beispiel einer Landschaft) durch eine sogenannte künstliche Intelligenz. Hier könnte man einerseits auf das Fehlen einer menschlichen Beteiligung abstellen. Als Gegenargument könnte man hier allerdings einführen es bereits die ein Pflege von Landschaftselementen eine persönliche Leistung darstellt.
Wahrnehmbar muss es sein
Die Schöpfung muss sich in einer wahrnehmbaren Formgestaltung ausdrücken. Das bedeutet, sie muss mit den menschlichen Sinnen wahrnehmbar sein. Nicht erforderlich ist das die Schöpfung verkörperlicht wurde. Bereits das Summen einer Melodie, dass Singen eines Liedes oder das Aussprechen eines Textes können dabei ausreichend sein. In der Praxis wird es aber regelmäßig zu Beweisproblemen kommen, wenn die Schöpfung nicht dauerhaft manifestiert (zum Beispiel als geschriebener Text oder Tonaufnahme). Zweckmäßiger ist daher tatsächlich die Verkörperung des Werkes.
Mindestgehalt an geistiger Leistung und Individualität
Damit eine Schöpfung Urheberrechtsschutz genießen kann, muss diese einen Mindestgehalt an geistiger Leistung und eigenpersönliche Prägung enthalten. Man spricht hier von der sogenannten kleinen Münze. Erst wenn diese überschritten ist, spricht man von einer geistigen Schöpfung. Die Anforderungen an die kleine Münze sind heute eher gering, sodass bereits ein Mindestmaß an Individualität ausreicht. Im Umkehrschluss erfüllen rein handwerkliche Leistung gerade nicht das Mindestmaß. Als rein handwerkliche Leistung werden dabei in aller Regel das Design einer Website oder die Gestaltung eines Alltagsgegenstandes angesehen. Gerade bei Alltagsgegenständen (sogenannte Werke der angewandten Kunst) wurden in der Vergangenheit hohe Anforderungen an die geistige Leistung und eigenpersönliche Prägung gestellt. Diese Ansicht wurde mit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs aufgegeben, sodass auch bei Werken der angewandten Kunst lediglich die kleine Münze erreicht werden muss.
Umfang unerheblich
Grundsätzlich unbedeutend für die Frage nach dem Wehrcharakter ist der Umfang der Schöpfung (zum Beispiel die Länge eines Textes). Auch kurze Texte können damit durchaus urheberrechtlichen Schutz genießen. Je kürzer ein Text ist, desto schwieriger wird es allerdings diesen eine eigenpersönliche Prägung zu verleihen. Der Urheberrechtsschutz wurde insofern für den Tweet ‘Wann genau ist aus „Sex, Drugs & Rock ‘n Roll“ eigentlich „Laktoseintoleranz, Veganismus und & Helene Fischer“ geworden?“ “ abgelehnt. Für das Loriot Zitat „Mit dem verheißungsvoll leuchtenden Blick der alternden Künstlergattin.“ Wurde indessen trotz der Kürze der Aussage urheberrechtlicher Schutz angenommen.
Konsequenzen für das Affen-Selfie
Was bedeutet das Ganze aber nun für unser Affen-Selfie? Laut Medienberichten hatte sich Naruto die Kamera selbst geschnappt und dann auf den Auslöser gedrückt. Ein menschliches Zutun fand dabei offensichtlich nicht statt. Es würde insofern an dem erforderlichen Persönlichkeitsmoment fehlen. Ein Werk im Sinne des Urheberrechts läge damit nicht vor. Weder der Fotograf David Slater, noch Naruto oder PETA könnten damit irgendwelche Urheberrechte an dem Bild geltend machen. Das bzw. die Bilder wären in diesem Fall ohne urheberrechtlichen Schutz. Man spricht hier von einem gemeinfreien Bild. Jeder kann das Bild nutzen, ohne Einschränkungen. So sehen das wohl auch die bislang mit dem Fall beschäftigten Gerichte.