André Stämmler
Das Landgericht Potsdam reiht sich mit Urteil vom 27.11.2014 – Az. 2 O 252/14 – in eine für abgemahnte Anschlussinhaber „freundliche“ Filesharing-Rechtsprechung ein, der heute immer mehr Gerichte folgen. Das Landgericht entschied sich in dem Verfahren gegen überspannte Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast und Täterschaftsvermutung des Anschlussinhabers. Zwar war nach Auffassung des Landgerichts die Klage der Rechteinhaber bereits unzulässig, da diese nicht einmal ihre eigene Existenz bewiesen hatten. Dennoch beschäftigt sich das Landgericht auch mit der Begründetheit und stellt dort mit deutlichen Worten klar, welche Anforderungen an die Täterschaftsvermutung und die sekundäre Darlegungslast zu stellen sind:
Zudem kommt eine Haftung der Beklagten nach § 97 Abs. 2 UrhG nicht in Betracht. Eine Haftung als Täter aus § 97 Abs. 2 UrhG ergibt sich nicht, da nicht feststeht, dass die Beklagte Täter der behaupteten Rechtsverletzung war. Gemäß der Bearshare-Entscheidung des Bundesgerichtshofs besteht zunächst eine durch den Anschlussinhaber zu widerlegende tatsächliche Vermutung seiner Alleinnutzung, die bereits dann widerlegt ist, wenn weitere Personen freien Zugriff auf den Anschluss hatten. Zusätzlich trifft den Anschlussinhaber sodann eine sekundäre Darlegungslast dahingehend vorzutragen, dass weitere Mitnutzer ernsthaft als mögliche Täter in Betracht kommen, in diesem Umfang trifft den Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch eine Recherchepflicht (BGH NJW 2014, 2360).Die tatsächliche Vermutung der Alleinnutzung des Anschlusses durch die Beklagte ist bereits dadurch widerlegt, dass gemäß der ihre Angaben der Ehemann Herr… sowie der am … geborene Sohn Herr … im Haushalt der Beklagten wohnen und freien Zugriff auf den Internetzugang hatten
Interessant sind auch die Ausführung des Landgerichts zur tatsächlichen Nutzung. Einige Gerichte vertreten hier die Auffassung, dass ein Vortrag zur Nutzungsmöglichkeit zum konkreten Tatzeitpunkt erfolgen muss. Das Landgericht Potsdam vertritt hier die Auffassung, dass bereits die abstrakte Nutzungsmöglichkeit unabhängig vom konkreten Tatzeitpunkt ausreichend ist:
Wird ein Internetanschluss nicht nur Anschlussinhaber genutzt sondern darüber hinaus unbeaufsichtigt von weiteren Personen, spricht – unabhängig von der konkreten Nutzung des Anschlusses an einem bestimmten – die Lebenserfahrung nicht mehr dafür, dass lediglich der Anschlussinhaber als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommt, denn schon die abstrakte Zugriffsmöglichkeit ist unabhängig von der tatsächlichen Nutzung zu einem bestimmten Zeitpunkt die Grundlage des vom BGH angenommen Erfahrungssatzes, dass der Anschlussinhaber als typische Alleinnutzung anzusehen sei, entfallen.
Im Rahmen der sekundären Darlegungslast wird immer auch eine bestimmte Nachforschung des Anschlussinhabers zu Täterschaft andere Personen gefordert. Auch hierzu findet das Landgericht Potsdam deutliche Worte und überspannt – wenigstens im familiären Umfeld – die Anforderungen an derartige Nachforschungspflichten nicht:
Der Umfang der sekundären Darlegungslast hat sich daher auf diejenigen Informationen zu beschränken, die in der Sphäre des Anschlussinhabers zugänglich sind und zumutbar vorgetragen werden können; keinesfalls dürfen überspannte Anforderungen an dieser Stelle im Ergebnis zu einer Beweislastverschiebung führen…Weitergehender Vortrag, insbesondere dazu, welche Personen zu den Zeitpunkten der behaupteten Rechtsverletzungen den Anschluss tatsächlich genutzt haben, ist hingegen im Rahmen der sekundären Darlegungslast nicht geboten. Im Hinblick auf die Alltäglichkeit der Computernutzung und die üblicherweise fehlende Buchführung hierzu handelt es sich hierbei nicht um Umstände, die üblicherweise in der Sphäre des Anschlussinhabers zur Verfügung stehen, weswegen Darlegungen hierzu nicht gefordert werden können.…Weitergehende Aufklärungspflichten, insbesondere bezüglich einer nachträglichen Feststellung der Person des Täters, treffen den Anschlussinhaber jedenfalls im familiären Umfeld nicht.
Das Urteil des Landgerichts Potsdam ist aus Sicht der Anschlussinhaber durchaus erfreulich und reiht sich in eine Tendenz der Rechtsprechung ein die eher milde Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast liefert. Leider gibt es immer noch vereinzelte Gerichte – etwa das Landgericht München (hier zum Beitrag des Kollegen Stadler) – welche extrem hohe Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast stellen, die mehr oder weniger eine Umkehr der Beweislast nahe kommen. Ungeachtet der für Anschlussinhaber immer freundlicher werdenden Rechtsprechung gehe ich nicht davon aus, dass die Schwämme der Filesharing-Abmahnungen kurzfristig abnehmen wird. Dennoch sind die Verteidigungschancen gegen eine unberechtigte Filesharing- Abmahnung heute besser denn je.