Sperrung von Webseiten bei Urheberrechtsverletzungen (EuGH C-314/12)
André Stämmler
Wird über eine Webseite illegal urheberrechtlich geschütztes Material verbreitet, kann der Internetdienstanbieter verpflichtet werden, die Seite zu sperren. Bei den Sperrmaßnahmen muss aber eine Abwägung zwischen den einzelnen Interessen der Beteiligten stattfinden, entschied der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 27.03.2014 (AZ: C-314/12)
Insbesondere sind hierbei die Grundrechte und die wirtschaftlichen Interessen der einzelnen Beteiligten zu beachten und abzuwägen. Neben der unternehmerischen Freiheit muss dabei auch die Informationsfreiheit der Internetnutzer mit in die Abwägung einfließen um ein „angemessenes Gleichgewicht“ herzustellen.
Im Ergebnis sind danach Anordnungen zur Sperrung möglich, wenn dem Dienstanbieter überlassen bleibt, welche geeignete Maßnahme er trifft und ggf. zu verhängende Beugestrafen – bei einem Verstoß gegen die Anordnung – durch den Nachweis abwenden kann, alles zumutbare getan zu haben.
Im konkreten Fall verlangten das deutsche Filmstudio Constantin Film (u.a. Wicki und die starken Männer) und die österreichische Produktionsgesellschaft Wega (u.a. Das weiße Band) vom österreichischen Kabelanbieter UPC die Sperrung des Zugangs zum Streaming-Portal kino.to. UPC wehrte sich dagegen mit dem Argument, dass nicht als Vermittler verantwortlich gemacht werden könne und darüber hinaus Sperrmaßnahmen die Urheberrechtsverletzung nicht endgültig beseitigen können.
Tatsächlich ist die Umgehung solcher Sperrmaßnahme zum einen auf den Provider beschränkt und damit der Zugang zu etwaigen Seiten über andere Provider problemlos möglich und zum anderen sind derartige Sperren technisch leicht zu umgehen.
Die Argumente von UPC ließ der EUGH indes nicht gelten und sieht im Provider einen Vermittler, ohne dies jedoch überzeugend zu begründen. Der EUGH legt damit Art. 8 III der Infosoc-Richtlinie (2001/29/EG) weit aus und macht quasi jeden zum Vermittler im Sinne der Richtlinie, der irgendwie an technischen Übermittlungen beteiligt ist.
Wenig überzeugend ist auch, dass der EuGH die Abwägung zwischen den Interessen auf die Provider abwälzt. So sollen diese entscheiden, wann eine Sperre ausreichend ist, den Nutzer aber noch nicht zu weit einschränkt. Hier ist zu befürchten, dass Provider die Sache eher eng sehen und ggf. schon konkrete Sperrungen durchführen, bevor überhaupt eine Beanstandung erfolgt. Das ggf. durch die Sperrung eines illegalen Inhalts auch gleichzeitig legale Inhalte gesperrt werden, kann ebenfalls ein Nebeneffekt sein.
Tenor des EuGH Urteils (C-314/12)
1. Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass eine Person, die ohne Zustimmung des Rechtsinhabers Schutzgegenstände im Sinne von Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie auf einer Website öffentlich zugänglich macht, die Dienste des als Vermittler im Sinne von Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie anzusehenden Anbieters von Internetzugangsdiensten der auf diese Schutzgegenstände zugreifenden Personen nutzt.
2. Die durch das Unionsrecht anerkannten Grundrechte sind dahin auszulegen, dass sie einer gerichtlichen Anordnung nicht entgegenstehen, mit der einem Anbieter von Internetzugangsdiensten verboten wird, seinen Kunden den Zugang zu einer Website zu ermöglichen, auf der ohne Zustimmung der Rechtsinhaber Schutzgegenstände online zugänglich gemacht werden, wenn die Anordnung keine Angaben dazu enthält, welche Maßnahmen dieser Anbieter ergreifen muss, und wenn er Beugestrafen wegen eines Verstoßes gegen die Anordnung durch den Nachweis abwenden kann, dass er alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat; dies setzt allerdings voraus, dass die ergriffenen Maßnahmen zum einen den Internetnutzern nicht unnötig die Möglichkeit vorenthalten, in rechtmäßiger Weise Zugang zu den verfügbaren Informationen zu erlangen, und zum anderen bewirken, dass unerlaubte Zugriffe auf die Schutzgegenstände verhindert oder zumindest erschwert werden und dass die Internetnutzer, die die Dienste des Adressaten der Anordnung in Anspruch nehmen, zuverlässig davon abgehalten werden, auf die ihnen unter Verletzung des Rechts des geistigen Eigentums zugänglich gemachten Schutzgegenstände zuzugreifen, was die nationalen Behörden und Gerichte zu prüfen haben.
Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 27.03.2014 (AZ: C-314/12)