Der Kauf und die Nutzung digitaler Produkte nehmen stetig zu. Bisher gab es im deutschen Vertragsrecht keine speziellen Vorschriften für Verträge über digitale Produkte. Nun hat der Gesetzgeber das neue digitale Vertragsrecht auf den Weg gebracht.
Bis zum Ende des Jahres 2021 müssen Unternehmen ihre digitalen Produkte an das neue digitale Vertragsrecht anpassen, denn ab dem 01.01.2022 müssen digitale Produkte den neuen gesetzlichen Regelungen (hier und hier) genügen. Die Neuerungen betreffen beispielsweise die Einführung von Update-Pflichten für Verkäufer digitaler Geräte. Dadurch soll sowohl die Funktionsfähigkeit als auch die Gewährleistung der IT-Sicherheit nach Übergabe der Sache gewährleistet werden. Die neuen Pflichten für Anbieter werfen, wie immer, auch teilweise ungelöste Fragen auf.
Anwendungsbereich
Das neue digitale Vertragsrecht gilt nur gegenüber Verbrauchern. Vertreibt ein Unternehmen digitale Produkte ausschließlich im B2B-Bereich gelten die Neuerungen nicht. Erfasst sind sowohl digitale Dienstleistungen als auch Waren mit digitalen Inhalten und/oder Funktionen. Die Neuerungen treffen vor allem Unternehmen, die beispielsweise Webanwendungen, Cloud-Speicher, Apps, Streaming-Angebote/E-Books anbieten. Auch Betreiber von sozialen Netzwerken sind betroffen.
Vom neuen digitalen Vertragsrecht nicht erfasst sind bereits strenger regulierte Bereiche wie Verträge über Finanzdienstleistungen oder Behandlungsverträge im Bereich eHealth. Auch Verträge zur Verwendung von Open-Source Software sind ausgenommen. Dies gilt allerdings nur, soweit für die Open-Source Software tatsächlich keine Gegenleistung erbracht wurde. Eine Gegenleistung kann neben einer Zahlung nunmehr auch durch eine Bereitstellung von personenbezogenen Daten erfolgen.
Zahlung mittels Daten
Das neue digitale Vertragsrecht sieht vor, dass der Verbraucher nicht nur mittels Geldzahlung für digitale Produkte bezahlen kann. Als Gegenleistung kommt nun auch eine Bezahlung mit Daten in Betracht. Der Anwendungsbereich ist u.a. eröffnet, wenn ein Verbraucher personenbezogene Date zur Werbenutzung im Gegenzug für eine Leistung bereitstellt.
Als Beispiele kommen folgende Gegenleistungen in Frage:
– Kostenfreie Nutzung eines digitalen Inhaltes/Angebots gegen eine Newsletter-Einwilligung
– Punktesammeln zur Erfassung des Kaufverhaltens
– Angabe von Alter und/oder weiteren Interessen für personalisierte Werbung
Der Anbieter muss seine Leistungspflichten aus dem Vertrag ausdrücklich benennen und den Verbraucher darüber informieren, dass dieser mit seinen personenbezogenen Daten bezahlt. Der Anbieter muss außerdem darüber informieren, mit welchen Daten zu welchem Zweck er die Daten nutzen wird. Soweit der Verbraucher seine personenbezogenen Daten als Gegenleistung dem Anbieter zur Verfügung stellt, muss hierfür eine wirksame Einwilligung eingeholt werden. Dafür ist eine aktive Zustimmung seitens des Verbrauchers notwendig. Nur eine ordnungsgemäße Einwilligung stellt sicher, dass die Daten anschließend auch rechtmäßig verarbeitet und verwendet werden dürfen. Geschieht dies nicht, können Bußgelder und ggf. Schadensersatzansprüche drohen.
Soweit der Anbieter die personenbezogenen Daten benötigt, um seine Leistungspflicht zu erfüllen oder die Daten zur Erfüllung anderer rechtlicher Pflichten verarbeitet, greift die Neuregelung aus dem Verbraucherschutzrecht nicht. Als Beispiel ist hier die vom Verbraucher überlassene E-Mail-Adresse für die Zusendung eines digitalen Produktes zu nennen. Nur für tatsächlich kostenfreie Angebote gelten die neuen Regelungen nicht.
Vermutung eines bestehenden Mangels
Rechtlich bessergestellt sind Verbraucher durch das neue digitale Vertragsrecht im Fall eines mangelhaften digitalen Produkts. Bislang konnte sich der Verbraucher auf die Vermutung des Mangels nur in den ersten sechs Monaten nach Kauf berufen. Ab dem 01.01.2021 gilt hingegen zwölf Monate lang grundsätzlich die Vermutung, dass der Mangel bereits beim Kauf vorlag. Diese Neuerung gilt, im Übrigen, ab dem 01.01.2021 auch für den Verbrauchsgüterkaufvertrag.
Updates für digitale Produkte bereitstellen
Weitreichende Auswirkungen in der Praxis werden die neuen Update-Pflichten haben. Waren mit digitalen Elementen umfassen neben Smart-Geräten beispielsweise auch Autos mit integrierter Navigation. Anbieter müssen sicherstellen, dass dem Verbraucher während eines gewissen Zeitraumes Aktualisierungen und Sicherheitsupdates bereitgestellt werden. Wie lange genau dieser Zeitraum ist, ist derzeit noch unklar.
Außerdem muss der Anbieter den Verbraucher auf diese Updates mittels hinreichender Hinweise informieren. Bisher ungeklärt ist, inwiefern ein Verkäufer die Aktualisierung des digitalen Produktes erfüllen kann. Der Verkäufer einer Ware ist selten auch der Hersteller des digitalen Produktes. So ist ein Onlinehändler typischerweise nicht in der Lage, das Betriebssystem eines Smart-TVs zu aktualisieren. Erfolgt der Verkauf nicht durch den Hersteller, so ist der Verkäufer auf die Mitwirkung des Herstellers angewiesen und sollte dessen Mitwirkung frühzeitig vertraglich sicherstellen. Aktualisierungen von digitalen Produkten wie Apps, Software oder Webanwendungen sind nunmehr nur noch in engen Grenzen ohne die (erneute) Zustimmung des Verbrauchers rechtmäßig. Daher ist bei der Vertragsgestaltung auf eine wirksame Änderungsklausel zu achten. Fehlt diese muss bei einem Update die Zustimmungen zur Datennutzung erneut eingeholt werden oder mehrere Versionen des Produktes parallel angeboten werden.
Kündigungsrechte in AGB
Es ist empfehlenswert, in AGB ein Kündigungsmöglichkeit vorzusehen, soweit Vertragsänderungen ohne eine Zustimmung der Änderung nicht möglich sind. Dann hat nämlich der Anbieter ein Interesse daran, sich alsbald vom Vertrag zu lösen. Kann er das nicht, so muss er ggf. mehrere Versionen des digitalen Produktes bereitstellen. Außerdem sollte eine Kündigungsmöglichkeit seitens des Anbieters für den Fall des Widerrufs der Datenverarbeitung bedacht werden.
Endet eine Vertrags, so darf der Anbieter die vom Verbraucher erhobenen Daten nur noch in engen Grenzen weiterverarbeiten.
Und nun? Was ist zu tun?
Wettbewerber und/oder Verbraucherschutzverbände können gegen Verstöße gegen das neue digitale Vertragsrecht vorgehen und hier ggf. Abmahnungen aussprechen. Eine Unterlassungserklärung bis zur Beseitigung eines Verstoßes könnte einem Vertriebsverbot nahekommen. Außerdem können Verbraucher Gewährleistungsrechte geltend machen oder weitreichende Aktualisierungen verlangen.
Unternehmen, die digitale Produkte an Verbraucher vertreiben, sollten ihre AGB bzw. Verträge anpassen. Auch die Hinweise zum Datenschutz sollten überarbeitet werden.
Bei Fragen beraten wir Euch gern.